Der Internationale Controller Verein definiert Controlling als den umfassenden betriebswirtschaftlichen Prozess von Zielfestlegung, Planung, Umsetzung, Messung und Verbesserung zur Sicherstellung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens. Die Ermittlung von Kennzahlen, Durchführung von Analysen und Ableiten von Handlungsempfehlungen sind zentralen Beiträge des Controllings im betrieblichen Prozess. Gemäß Leitbild versteht sich der Controller als umfassender, proaktiver Begleiter des Managements auf Augenhöhe (Management- bzw. Sparringspartner). Tatsächlich zeigen Befragungen, dass sich Controller eher als Zahlenlieferant und weniger als Berater erleben. Dominate Aufgaben sind vielfach die Planung und Budgetierung, das Berichtswesen und Abweichungsanalyse.
Mit den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung können gerade diese vorgenannten Aufgaben automatisiert und z.T. auch qualitativ besser erfüllt werden. Dem Wegfall oder der Abnahme etablierter Aufgabenzuschreibungen steht aber zugleich der mögliche Bedarf gegenüber, die komplexen Analysen zu erklären und daraus strategische Empfehlungen abzuleiten. Im Ergebnis erwächst daraus ein gesteigerter Beratungsbedarf vom Controlling in Richtung Management. Selbst für die Einführung neuer Technologien oder einer unternehmensweiten Digitalisierungsstrategie sollte das Controlling beratend und mit Blick auf die eigene Digitalisierung eingebunden werden.
Die zentrale Frage im Digitalen Wandel ist: Wird der Controller oder die Controllerin überflüssig?
Starker Treiber der Digitalisierung im Controlling sind zum einen Big Data (Daten aus externen und internen Quellen, welche strukturiert, teilstrukturiert oder unstrukturiert sind, sehr hohe Volumen annehmen können und in Echtzeit verfügbar sind). Zugleich erhöht sich die Varianz dieser Daten (Sensoren, Datenspuren aus digitalen Geräten).
Zum anderen ist Business Analytics ein wesentlicher Treiber: Die umfassende Nutzung von Daten, von statistischen und quantitativen Analysen sowie von Erklärungs- und Vorhersagemodellen in der betrieblichen Entscheidungsfindung. Business Analytics stellt dabei eine Schnittstelle zwischen BWL und Data Science dar. Prozessorleistungen ermöglichen es, neue anspruchsvollere Business Analytics als in der Vergangenheit durchzuführen. Darüber hinaus werden die Daten und Analysen kontinuierlich und prozessbegleitend integriert.
Alles beginnt aber mit der Erfassung und Aufbereitung der Daten (Data Warehouse Lösungen). Um die Datenqualität hoch zu halten, braucht es für den Aufbau dieser Prozesse kontrollierte und definierte Datenquellen. Auf dieser Basis ergeben sich erweiterte Möglichkeiten von daten- und faktenbasiertem Management – in Echtzeit. Die Auswertungsmöglichkeiten beziehen sich auf differenzierte Stufen von Business Analytics (siehe nachfolgende Abbildung)
Predictive und Prescriptive Analytics (Advanced Analytics) ermöglichen u.a. Vorhersagen (Digital Forecast), Optimierungen und Simulationen (Überprüfung von Ursachen-Wirkungszusammenhänge auf Basis valider Daten und deren Fortschreibung unter Einbezug komplexer Umwelten).
Erste Erfahrungen zeigen, dass die Integration vieler Parameter die Vorhersagen gegenüber klassischen menschlichen Einschätzungen verbessern. Dennoch bleiben gerade globale Märkte grundsätzlich unsicher, was sich auch nicht durch noch so komplexe Modelle ändern lässt.
Die wichtigste Frage für das Controlling ist: Was ist für ein bestimmtes Unternehmen hilfreich und auch wirtschaftlich sinnvoll?
Generell ist nachgewiesen, dass der Einsatz von Digitalisierung positive Effekte für Absatz und Ertrag mit sich bringen. Mit Hilfe von Daten und Technologien lassen sich Modelle simulieren, um betriebliche Prozesse zu optimieren. Beispiele dafür sind die „Predictive Maintanance“ (Vorhersagbarer Wartungs- oder Reparaturbedarf) oder die zeit- und mengengenaue Warenbewirtschaftung. Darüber hinaus kann man auch gesamte Geschäftsmodelle in Daten und deren Wechselwirkungen nachbilden. Damit lassen sich Maßnahmen der kontinuierlichen Verbesserung durchrechnen und ihre Auswirkungen auf Umsatz und Ertrag ermitteln.
Erkennbar darüber hinaus gehen Systeme, die Big Data aus dem allgemeinen Informations- und Kommunikationsverkehr auswerten. Ziel ist es, ein Radar zu etablieren, um möglichst frühzeitig gesellschaftliche Trends zu erfassen, die letztlich auf die Produkte, die Produktion oder die Mitarbeiterentwicklung durchschlagen können. Hier werden große Mengen von unstrukturierten Daten ausgewertet, um frühzeitig und strategisch reagieren zu können.
Trotz aller Chancen der Digitalisierung für das Controlling, ist diese selbst im Controlling noch nicht breit eingeführt. Namhafte Wissenschaftler testieren dem aktuellen Stand in Deutschland eine schlechte Digitale Integration und einen dringenden Investitionsbedarf in Technik und Knowhow.
Es gibt Perspektiven für das Controlling: Etablierte und neue Aufgaben für Controllerinnen und Controller werden gebraucht!
Die Verschmelzung von Mathematik und Informatik haben einen qualifizierten Bestand von Auswertungstools entwickelt. Weiterhin braucht es Hard- und Software zur Umsetzung von Datenanalysen. Für KMU gibt es diese auch auf Cloudbasis. Hierbei ist allerdings die zentrale Frage, eine Technologie zum Schutz hoch sensibler Finanz- und Produktionsdaten sowie zum Teil auch Personaldaten zu etablieren.
Der Gesamtprozess selbst wird zukünftig in Co-Produktion von Manager – Controller – Data Scientist – IT-Experte gewährleistet. Aktuell haben Controller wenig Zugriff auf Data Scientists, weil diese selten im Einsatz und wenn, dann oft im Bereich der technischen Produkt- und Prozessentwicklung tätig sind. Dennoch geht die Entwicklung klar in eine Richtung: Viele Prozesse im Controlling werden durch Data Analytics ersetzt. Die Bewertung und strategische Beratung durch das Controlling bleiben oder werden mit neuen Vorhersagemöglichkeiten sogar wichtiger. Bedeutsam sind Controller auch, als Kontrolleur der Algorithmen und deren Ergebnisse. Es geht also auch um die Abschätzung, in wie weit Daten und Kennzahlen realistisch sind – oder ob Einzeleffekte bzw. unsaubere Datenquellen die Ergebnisse verfälschen. Auch, ob sich in der Programmierung von Algorithmen Fehler eingeschlichen haben, bzw. unvollständige Modelle zugrunde gelegt wurden.
In dieser Perspektive braucht es für etablierte Controllerinnen und Controller eine Weiterbildung in den Themenfeldern Statistik und IT. Darüber hinaus gewinnen auch kommunikative Fähigkeiten für die Zusammenarbeit mit Data Scientist Spezialisten und für die Beratung ins Management noch stärker an Bedeutung.