Ein Beitrag von Prof. Dr. Martin-Niels Däfler
Kennen Sie das „Erste Hemdenknopf-Prinzip“? Wenn man das Hemd (die Bluse) am Anfang falsch zuknöpft, kann man am Ende nie richtig rauskommen. So ist es auch, wenn sich Unternehmen fit für die Arbeitswelt 4.0 machen wollen.
Bedingt durch die Digitalisierung, die Globalisierung und zuletzt Corona reorganisieren Betriebe aller Branchen und Größen ihre Strukturen und Prozesse im Formel-1-Tempo. New-Work-Konzepte werden eingeführt, Agile Management heißt in immer mehr Firmen die neue Führungsdevise, Abteilungen/Teams werden neu zusammengestellt, Abläufe völlig neu gestaltet und neue Software-Programme sowie neue Kollaborations-Methoden eingeführt.
Für viele Mitarbeiter sind solche Änderungen eine große Herausforderung. Sie sind verunsichert und sorgen sich darüber, ob sie mit all den Neuerungen klarkommen. Offener und verdeckter Widerstand ist die Folge, worunter Betriebsklima und Produktivität leiden. Ich meine: Die Mitarbeiter sträuben sich nicht aus bösem Willen gegen Changevorhaben, sondern weil eine gleichermaßen banale wie grundlegende Erkenntnis aus der Veränderungsforschung missachtet wird.
Wenn Veränderungen gelingen sollen, reicht es nämlich nicht, nur die erforderlichen neuen Kompetenzen oder Methoden zu vermitteln. Entscheidend ist, dass neben dem Können auch das Wollen vorhanden ist. Anders formuliert: Wenn Menschen etwas nicht wollen (egal aus welchen Gründen), dann ist jedes Changeprojekt zum Scheitern verurteilt. Doch genau dieser Fehler wird fast immer begangen: Das „Wollen“ wird bei den meisten Veränderungsvorhaben nicht betrachtet. Man investiert Zeit und Geld in das „Können“ und gibt sich alle erdenkliche Mühe, Wissen zu vermitteln. Man bucht mehrtägige Canvas-, Design-Thinking- und Lego-Serious-Play-Workshops, schickt Manager zum Achtsamkeitsseminar an den Tegernsee und holt sich teure Keynote-Speaker ins Haus. Mit welchem Ergebnis? Mit einem ernüchternden!
Denn: Es geht nicht nur darum, Open Space, World Café, Brainwriting, Daily Stand-ups, Sprints oder andere Werkzeuge zu beherrschen. Das allein langt nicht, genauso wichtig ist es, das „Wollen“ ernst zu nehmen. Oben muss man richtig anfangen: Erst muss die „richtige“ Einstellung da sein, bevor Veränderungen eingeleitet und neue Kompetenzen vermittelt werden. Ein agiles Mindset ist erforderlich, wenn Veränderungen erfolgreich umgesetzt werden sollen. Erst pflügt der Bauer das Feld, bevor er sät!
Folglich lauten die wirklich spannenden Fragen: Was ist ein agiles Mindset und wie lässt es sich erreichen? Lassen Sie uns dazu ein kleines Gedankenspiel machen. Angenommen, Sie wären TrainerIn einer Fußballmannschaft und müssten Ihr Team jetzt davon überzeugen, ab sofort „Schulterball“ zu spielen. Was müssten Sie tun, damit Ihre Mannschaft in dieser neuen Sportart erfolgreich ist? Nun, Sie sollten zunächst gut begründen, warum denn überhaupt ein neues Spiel gespielt wird – schließlich hat Fußball bisher doch gut funktioniert. Weiterhin wäre es angebracht, die Spielregeln zu erläutern, die bei Schulterball gelten. Wenn Sie dies getan haben, sollten Sie die SpielerInnen mit der Art und Weise vertraut machen, wie man geschickt Schulterball spielt, um als Sieger den Platz zu verlassen. Und schließlich würden Sie mit Ihrer Mannschaft regelmäßig trainieren, bis Sie die Schulterball-Champions-League gewonnen haben.
Auf den Punkt gebracht: Berücksichtigen Sie das Erste Hemdenknopf-Prinzip und fangen bei Ihren Changevorhaben richtig an. Erläutern Sie zuerst die Hintergründe und verdeutlichen Sie, nach welchen Regeln in der neuen Arbeitswelt gespielt wird, bevor Sie dann die erforderlichen Kompetenzen schulen sowie trainieren.
Über den Autor
Prof. Dr. Martin-Niels Däfler lehrt als hauptamtlicher Professor an der FOM Hochschule in Frankfurt/Main. Daneben ist er als Redner, Trainer sowie Berater tätig. Er lebt in Aschaffenburg. Sein kostenloses eBooklet „Agiles Mindset“ erhalten Sie, wenn Sie ihm eine E-Mail schicken an: prof@daefler.de