Ringvorlesung Teil 10 – Recyclingtechnologien für eine effiziente Kreislaufwirtschaft
Prof. Dr. Anke Weidenkaff, TU Darmstadt / Fraunhofer IWKS Hanau Alzenau
Ein Beitrag von Katja Leimeister und Joachim Schmitt
Die Ressourcen, die wir für die Digitalisierung, die Elektromobilität und viele andere Dinge benötigen, um ein angenehmes Leben zu führen, sind endlich. Edelmetalle, seltene Erden und Co. können als Primarrohstoffe aus Minen abgebaut werden, doch der Energieaufwand hierfür ist enorm, die Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort nach hiesigem Standard oft unerträglich: gesundheitsschädlich körperlich sehr fordernd und schlecht bezahlt. Solange ganz oder teilweise Primärrohstoffe abgebaut werden und keine oder nur in geringem Maße Sekundärrohstoffe und Sekundär-Komponenten eingesetzt werden, bedeutet dies auch gleichzeitig das Anwachsen der schon heute riesigen Deponien. Deponien, die mit vielen Schadstoffen belastet und häufig in Entwicklungsländern angesiedelt sind, um das „Problem“ aus den industrialisierten Ländern günstig zu verlagern.
E-Schrott-Aufkommen wächst enorm
Insbesondere die Kurzlebigkeit von elektronischen Geräten – Laptop, Handy, aber auch weiße Ware wie Kühlschränke und Waschmaschinen etc. – produziert enorme Mengen an E-Schrott. Durch die immer kürzeren Lebenszyklen sind überspitzt gesagt, die Produkte, die wir heute kaufen, jetzt schon E-Schrott. Weltweit fallen so etwa 50 Mio. Tonnen pro Jahr an E-Schrott an. Neben Edelmetallen und seltenen Erden, die hohe Marktwerte erreichen, sind Verbundmaterialien wie Epoxidharze, Kunststoffe und teilweise giftige Flüssigkeiten wie Quecksilber enthalten. Spezialisierte Recyclingunternehmen haben Verfahren entwickelt, die vor allem die wertvollen Materialien möglichst hochrein zurückgewinnen, um diese für industrielle Zwecke wieder einsetzbar zu machen. Doch auch die anderen Materialien könnten einer Wiederverwendung zugeführt werden.
Der übliche Weg zur Rückgewinnung der wertvollen Metalle ist, das Material nach der Schadstoffentfrachtung (d.h. demontieren der schadstoffhaltigen Bauteilen) in den Schredder zu werfen, damit möglichst homogene Teile entstehen. Diese werden mit hoher Energiezufuhr eingeschmolzen, um mit einem Trennverfahren die wertvollen Metalle abzuschöpfen. Der große Rest kann dann in Form von Schlacke als niederwertiges Baumaterial z. B. für Straßen eingesetzt werden oder muss deponiert werden.
Am Fraunhofer IWKS geht man einen anderen Weg: Leiterplatten & Co. werden mit einer elektrohydraulischen Zerkleinerung behandelt. Dabei werden die Einzelteile durch Impulse gelöst und können weitgehend sortenrein sortiert werden. Diese Rohmaterialien gehen dann in eine mehrstufige Sortiermaschine mit unterschiedlichen Sortierverfahren (Siebung, Magnetismus, Zentrifugaltrennung, Farbsensorik, Infrarotsensorik, etc.) Eine KI wird auf beste Trennergebnisse trainiert. Durch diese Trennung und Sortierung können die Einzelteile in viel größerem Umfang einer Wiederverwendung zugeführt werden.
Die Stunde null bestimmt die Recyclingfähigkeit von Materialien
Der Drang in der Elektronikindustrie, die Leistungsfähigkeit eines Geräts immer weiter zu erhöhen und gleichzeitig die Geräte zu miniaturisieren, führte zu immer komplexeren Verbundmaterialien, deren Trennung am End-of-Life schwierig ist. Um hier in Zukunft bessere Recyclingfähigkeit zu garantieren, sollte neben der Funktionalität von Materialien auch deren Trennfähigkeit im Planungs- und Entwicklungsprozess – sprich von Beginn an – berücksichtigt werden. Dabei kann es notwendig und sinnvoll sein, Substitutionsmaterialien zu identifizieren und einzusetzen. Auch der Einsatz von nicht hochreinen Rohstoffen kann eine Strategie sein: Wenn Verbundmaterialien nicht wirtschaftlich recycelt werden, können sie immer noch als Komponente in der Produktion neuer Produkte dienen, - wenn die Spezifikationen stimmen. Dafür ist es wichtig, möglichst viel über die eingesetzten Materialien zu wissen; eine Produktkennzeichnung wie in der Lebensmittelbranche könnte helfen.
Nun kommt die E-Mobilität und damit neue Herausforderungen in der stofflichen Verwertung
Die Mobilitätsentwicklung ist neben der Digitalisierung der nächste große Treiber für den Verbrauch und das Recycling von knappen Rohstoffen. Die E-Mobilität erfordert Materialien, die bisher nicht in diesem Maßstab verwendet wurden: Halbleiter, Seltene Erden, Lithium u. a. Jede Energiewende ist eine Materialwende.
Auch hier muss das Recycling sofort mitgedacht werden, sonst läuft die Wirtschaft in eine Ressourcenknappheit. Die besonderen Herausforderungen sind die komplexe Integration von Materialien, wie z. B. Neobdym (es gehört zu der Gruppe der Seltenen Erden, ein Metall, das eigentlich nicht so selten ist, wie es der Name vermuten lässt). Unter anderem wird es in Permanentmagneten benötigt, die in Elektromotoren zum Einsatz kommen. Neobdym ist in der Primärgewinnung sehr aufwändig und umweltschädlich in der Erschließung. Das Recycling ist daher notwendig, technisch aber ebenso sehr aufwändig. Es geht dabei nicht nur um das Herauslösen der Metalle aus dem Schrott, sondern auch um die Weiterverarbeitung zu einem gebrauchsfertigen Hightech-Rohstoff. Ein anderes Anwendungsbeispiel ist Lithium, das in der Batterietechnologie eingesetzt wird. Tatsächlich ist es im automatisierten Kleinmaßstab schon möglich, Materialien so zurückzuführen, dass mit dem Recyclingmaterial wieder vollwertige Batterien hergestellt werden können.
Bioökonomie
Die Erde insgesamt lebt in einer perfekten Kreislaufwirtschaft von Erde, Feuer, Wasser und Luft. Nichts geht verloren. Die Bioökonomie setzt darauf, dass der Mensch weiterhin Teil dieses Lebens sein kann. Dabei geht es neben der Sicherung von fruchtbarem Land auch um die Sicherung von Trinkwasser und sauberer Luft. Beim Wasser ist die Industrie in Deutschland der größte Verbraucher und Verschmutzer. Der Klimawandel und damit drohende Wasserknappheit erfordern neue Konzepte der industriellen Wassernutzung. Am ÍWKS beschäftigt man sich mit unterschiedlichen Abwässern (z.B. aus der Galvanik und Krankenhäusern), und unterschiedlichen Methoden der Aufbereitung wie der Membranfiltration und dem elektrochemischen Abbau, nicht nur um die Wasserqualität zu erhöhen, sondern auch um aus den Abwässern darin enthaltene Rohstoffe abzuscheiden.
Auch am Thema Kunststoffrecycling ist das IWKS dran: Bisher werden nur rund 43 % der Plastikabfälle werkstofflich genutzt, und vielfach mit einem Downcycling verbunden. Mit intelligenten Trennverfahren sollen Kunststoffe in ihre Ursprungselemente Kohlenstoff und Wasserstoff gespalten werden.
Vom Labormaßstab zur industriellen Nutzung
Beim IWKS werden grundlegende Methoden und Verfahren für die stoffliche Trennung und Wiederverwertung erarbeitet und ausprobiert. Nun gilt es, die Methoden und Verfahren, wie sie für kleine Mengen funktionieren, auch für den industriellen Maßstab mit hohem Automatisierungsgrad zu nutzen. Dafür arbeitet das IWKS mit Industriepartnern zusammen.
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