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Ethik und Akzeptanz

Fachgespräch am 25. Februar 2021 an der Technischen Hochschule Aschaffenburg

 

Notizen von Joachim Schmitt

 

Jeder technische Fortschritt – nicht nur in der Informatik – bringt notwendigerweise die Frage nach der Akzeptanz der entwickelten Technologien, Systeme und Verfahren mit sich. Im virtuellen Fachgespräch wurde gefragt, welche spezifischen Akzeptanz-Aspekte Ethik heute bereits aufgreifen kann. Wo und wie werden einst nur „Soft Factors“ der Ethik nun auch ökonomisch relevant? Wo wird die abstrakte Diskussion um „Vertrauen“, „Verantwortung“, „Nachhaltigkeit“, „soziales Verhalten“, etc. ökonomisch-konkret, wenn es um die Akzeptanz von Technologien, Produkten und Dienstleistungen geht? Lassen sich Handlungslinien zur Verbesserung der Akzeptanz identifizieren?

 

Einführung – Ethik und Akzeptanz

Im einführenden Vortrag ging Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann (TH Aschaffenburg, mainproject digital) auf die Erstellung von Produkten und Dienstleistungen ein. Diese haben nur Perspektive, wenn es eine Akzeptanz zur Verwendung und ggf. Anschaffung gibt. Damit ist die Akzeptanz-Frage eine Grundfrage der Ökonomie. In diesem Zusammenhang bedingt sie sich in drei Faktoren:

 

  • Nutzwert: Ist gut erforscht und lässt sich explizit abfragen oder erkennen.
  • Vertrauen: Dient der Reduktion von Komplexität im Rahmen der Kaufentscheidung. Auf Basis von Vertrauen muss der Kunde nicht den Aufwand treiben, ein Produkt umfassend zu prüfen.
  • Ethik: Ein Produkt muss in der Gesellschaft oder im Nahfeld vertretbar sein.

So kann eine mangelnde Akzeptanz eines Unternehmens als Ganzes zum Problem werden, wenn weder Kunden noch Mitarbeiter für dieses Unternehmen einstehen. Mit Blick auf den Digitalen Wandel kann man diese Ambivalenzen gerade auch im Themenfeld der Künstlichen Intelligenz erkennen. Es gibt einen Hype und Erlösungsphantasien durch die KI. Und es gibt große Warnungen vor der Verselbständigung von KI-Systemen und deren vermeintlicher „Überlegenheit“. Die damit verknüpften Fragen der Akzeptanz sind auch ethisch verortet. Die Ethik selbst beschreibt Kriterien für die zutiefst menschliche Frage: Was soll ich tun - und was soll ich lassen?

 

Computer, Roboter und andere Frauen*

Im zweiten Vortrag konzentrierte sich Referent Dr. Stefan Ullrich (TU-Berlin, Weizenbaum Institut e.V.) auf die historische Genese. So hat sich in Technologie und Wissenschaft eine Vernachlässigung der Frauen in der Wahrnehmung ihrer Beiträge zur technologischen Entwicklung etabliert. Entsprechend gibt es bis heute einen erkennbaren „Digital Gender Gap“.

 

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist der gesellschaftliche Reflex, eine Anwerbung von jungen Frauen für die etablierte Technikwelt. Ethisch betrachtet müsste der Weg anders herum angegangen werden: Anstelle Frauen zu motivieren, sich für die Technik zu öffnen, sollte die Informatik so weiterentwickelt werden, dass sie offen und anschlussfähig für Frauen ist. Im Gleichschritt der historischen Blindheit für Geschlechterfragen, zeigt sich insgesamt eine Ausblendung von ethischen Fragen in den Ingenieurs-Studiengängen. Neuere Ansätze in der Software-Entwicklung arbeiten dem entgegen und betonen, auch ethische Aspekte zu reflektieren, um daraus Konsequenzen für die Programmierung zu entwickeln.

 

Antagonistischer Widerspruch? - Digitalethik als kommerzielle Beratungsleistung

Robotik, KI, Big Data u. a. sind zu Arenen der ethischen Reflexion geworden. Dies war der Grundtenor von Referent Otto Obert, Main DigitalEthiker GmbH. Vor diesem Hintergrund ist die ethische Beratungsleistung als aktuelles unternehmerisches Handlungsfeld zu konfigurieren und entsprechend konsequent zu professionalisieren. Für all diese Ansätze gilt es, ein Dilemma aufzulösen: Wie kann ein professioneller Standard der Ethik in unternehmerischer Abhängigkeit etabliert werden?

 

Für den nachhaltigen Aufbau von Kompetenz und Reflexivität empfiehlt sich deshalb eine frühzeitige Einbeziehung ethischer Diskurse in die schulische Bildung. Auf diese Weise können möglichst viele Personen und Institutionen in die Debatte und Entscheidungsfindung integriert werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Prozesse von Beratung und Folgeabschätzung in multiperspektivische Strukturen einzubetten, um unterschiedliche Sichtweisen zu integrieren und damit auch Kontrollinstanzen einzubauen.

 

Die Ethikfalle der KI

Referent Ulrich Wilmsmann (Atos Information Technology GmbH) betonte, dass für die Entscheidungsfindung und Technikfolgeabschätzung gilt, dass sich personenzentrierte Fehler nicht eindeutig in Verbesserungen überführen lassen. Gleichwohl muss die Gesellschaft die irrationale Entscheidung treffen, den „Faktor Mensch“ als allgemeines Risiko sogar auf Dauer zu akzeptieren. Für den Einsatz von (neuen) Technologien erscheint es dagegen durchaus rational auch begrenzte Risiken einzugehen, weil sich ein mögliches Technologieversagen meist als Lerneffekt in Verbesserung transformieren lässt. Beispiele dafür sind das autonome Fahren oder die Steuerung von Flugzeugen. In dieser Tendenz wird eine ethische Begründung für den Einsatz digitaler Technologien gefordert. Dabei gilt, dass das (scheinbare) Funktionieren mit gewisser Wahrscheinlichkeit an sich kein Kriterium für den Einsatz von Technologien sein darf. Weil sich „Ethik“ aber nur begrenzt normativ in Gesetze fassen lässt, braucht es definierte Prozesse mit einem transparenten Diskurs. In diesem Sinne werden zunehmend Kommission eingerichtet, um ethische Fragen von Reputation, aber auch von Compliance, Wettbewerb und Technik abzuwägen. Dabei stellt sich heraus, dass es letztlich ein Wettbewerbsvorteil sein kann, ethische Fragen verankert und gut reflektiert zu haben.

 

Akzeptanzfaktoren Privacy und Security

Der Datenschutz hat in Deutschland ein gutes Image, sagt Prof. Dr. Dominik Herrmann (Otto-Friedrich-Universität Bamberg). Wie sich immer wieder zeigt, sind die Bürger darin sehr sensibel. Bei den Unternehmen ist es eine Frage der Compliance. Damit steht der Datenschutz formal weit oben in der Orientierungshierarchie. Allerdings ist die Konkurrenz mit der Wirtschaftlichkeit oder mit Kostenvorteilen groß, weshalb für den Konsumenten oft nur die notwendigen Pflichten erfüllt werden – die Akzeptanzerklärung beim Betreten der Homepage oder die Anerkennung der AGB bei einer Bestellung. Insgesamt ist zu beobachten, dass der Datenschutz sehr wichtig gemacht wird, die Datensicherheit dagegen unterbewertet ist.

 

Eine zentrale Anforderung dazu lautet, dass diese Frage den Entwicklern zu stellen ist und nicht an die Nutzer delegiert werden darf – und auch nicht an die Technik übertragen werden kann (Ethical KI). Unternehmerische oder verbandliche „Codes of Ethics“ scheinen nicht so zu wirken, dass der Umgang mit Daten ausreichend geschützt ist. Deshalb wird es zu einer wesentlichen Aufgabe, Methoden zu etablieren, wie technologische Systeme auf ihre normative und ethische Verträglichkeit hin überprüft werden können. Weil für die Integration ethischer Fragen in technologische Lösungen, ethische Orientierungen alleine nicht ausreichen, müssen derartige Systeme rechtlich vorgegeben und damit auch strafbewehrt werden. Auch das ist eine Frage der Ethik.

 

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