eine Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Sabrina Weithmann durch Joachim Schmitt
Kulturen und Strukturen für unternehmerisches Handeln
In den Medien gibt es derzeit ein scheinbar klares Bild der globalen Entwicklung: China ist auf dem Vormarsch. China ist auf dem Weg zu einer Weltmacht. China ist nicht mehr zu stoppen. Für Menschen in Führungspositionen von Unternehmen bedeutet dies zumindest, dass man die Entwicklung in diesem „Reich der Mitte“ nicht ignorieren kann. Prof. Dr. Sabrina Weithmann von der Technischen Hochschule Aschaffenburg zeichnete zwar ein differenziertes Bild von den Veränderungen in und mit China, betonte aber auch, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht nebenbei aufgebaut werden kann.
Warum ist das schwierig mit der gemeinsamen Zukunft?
Die Beziehung zu China ist aus europäischer Perspektive sehr ambivalent. Einerseits gibt es einen großen Respekt vor der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungsleistung. Andererseits irritiert die staatliche Überwachung und der Umgang mit Menschenrechten. Einerseits verlocken der riesige Markt und die vielfach günstigen Produktionsbedingungen. Andererseits schreckt die „China-first-Politik“ der staatstragenden Partei und der mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums.
Vor diesem Hintergrund betont die Sinologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Weithmann, dass jede Idee von wirtschaftlicher Aktivität oder Zusammenarbeit damit beginnt, sich über die konkrete Situation vor Ort und im Geschäftsfeld ausführlich zu informieren. Aufbauend auf derartige Recherchen braucht es jeweils klare Entscheidungen zu weiteren Aktivitäten und eine damit verbundene Entscheidung von Kompetenzaufbau für interkulturelle Kommunikation, idealerweise verknüpft mit Sprachkenntnissen. In der Zusammenarbeit mit Unternehmen stellt die Dozentin immer wieder fest, dass dieser Kompetenzaufbau erst dann in den Blick gerät, wenn die Probleme und Konflikte schon überhandgenommen haben. Probleme ergeben sich oft auf der Ebene von Kommunikation und einem mangelhaften Verständnis für die jeweils andere Sichtweise. Dabei spielen nicht nur die kulturellen Codes im Alltagsverhalten eine Rolle (Umgang mit Hierarchien, Verhalten bei Meinungsverschiedenheiten, Verhältnis der Geschlechter, etc.), sondern auch die Kulturgeschichte oder die politische Gesamtsituation.
Warum überhaupt an eine Zukunft mit China denken?
Betrachtet man die globalen Netzwerke wirtschaftlicher Zusammenarbeit so gibt es im Bereich deutscher Schlüsselindustrien eine Verknüpfung mit der chinesischen Wirtschaft, die über die Zulieferindustrie tief hinein in die unternehmerische Landschaft der kleinen und mittelständische Betriebe reicht. Ob Auto, Chemie, Pharma oder natürlich die Elektrotechnik, in allen großen Wirtschaftszweigen gibt es große Abhängigkeiten von der Volksrepublik. Hinzukommt, dass sich China von der „Werkbank der Welt“ immer weiter in ein technologiegetriebenes Land entwickelt. Das Entwicklungsmuster dazu hat Prof. Weithmann ausführlich erforscht und die Dozentin erwartet, dass weitere Branchen und Bereiche folgen werden. Es beginnt damit, dass China in einem Technologiebereich, wie z. B. der Photovoltaik, internationale Normen akzeptiert und sich der globalen Wirtschaft anpasst. Aus dieser Verknüpfung heraus werden eigene Kompetenzen in einem geschützten Markt aufgebaut. In diesem Sinne gab es viele Jahre internationale Kritik an der begünstigten Solarfertigung chinesischer Unternehmen. Dabei wird die Technologie teilweise auch so weiterentwickelt, dass sie zu den Besonderheiten des chinesischen Marktes passt. Auf diesem Entwicklungspfad werden stetig Kompetenzen und Know-how erweitert, bis es möglich ist, im freien internationalen Wettbewerb zu bestehen oder sogar die Führung zu übernehmen und damit selbst normsetzend zu wirken. Das Ergebnis: Die ehemals aufstrebende deutsche Solarbranche ist verschwunden und China ist heute unangefochtener Marktführer in der Photovoltaik-Industrie.
Wo spielt die Zukunft eigentlich?
Auf diesen Wegen entsteht auch das relativ junge Phänomen, dass chinesische Unternehmen, wie z. B. Huawei bei der 5G-Breitbandtechnik, die Technologieführerschaft innehaben. Frau Prof. Weithmann meint dazu: „Weitere werden folgen!“ Diese Annahme begründet sich u. a., dass die Ausbildung in Feldern der Ingenieurswissenschaften weltweit sehr unterschiedlich vorangetrieben wird. Hier sticht China mit einem prognostizierten „Marktanteil“ von über 30 % aller Hochschulabgänger innerhalb der OECD im Jahr 2030 ins Auge. Der Staat investiert mächtig in Bildung und Wissenschaft und begibt sich gleichzeitig in strategische Technologiefelder. Nach Ansicht von Frau Weithmann müssen hiesige Unternehmen deshalb immer wieder prüfen, ob chinesische Unternehmen sich im eigenen Geschäftsbereich entwickeln und ob man selbst auf Markterschließung, Kooperation oder Ausweichstrategien setzt. Dabei gilt, dass auch in und mit China nicht „alles gut“ ist. Corona hat einseitige Abhängigkeiten in im Warenverkehr offengelegt. Die Knappheit von Mikrochips zeigt, wie China-zentriert mitunter die Geschäftspolitik im Reich der Mitte gestaltet wird. Die Evergrand-Krise legt systemische Fehlsteuerungen im Chinakomplex offen.
Wie positionieren wir uns am besten für die Zukunft?
In diesem Sinne empfiehlt Frau Prof. Weithmann eine immer wiederkehrende Überprüfung und Weiterentwicklung der eigenen Chinastrategie. Diese enthält gleichermaßen die bewusste Investition in den Aufbau technologischer und interkultureller Kompetenzen, als auch die Begrenzung von eindimensionalen Abhängigkeiten in der Lieferkette, bzw. im Absatzmarkt. Jedes Investment sollte immer auch mit eigenem Personal vor Ort gestaltet werden, um einen engen Bezug zu den handelnden Personen zu haben. Die Nachfragen und Diskussionen in der Netzwerkveranstaltung zeigen, dass Neugierde und Respekt gleichermaßen groß sind. Es ist vielleicht genau jene Mischung, die es braucht, um in einer Zukunft mit China nachhaltig erfolgreich zu sein.
Mehr dazu im regelmäßigen Chinalogue Podcast von Prof. Dr. Sabrina Weithmann.
Mehr Infos auf unserer Lernplattform
Die Präsentation und weitere interessante Links finden Sie auf unserer moodle-Lernplattform im Kurs "Zukunft mit China!".