Blogbeitrag von Katja Leimeister
Kürzlich wurde ich gebeten, für das mainproject Wirtschaftssymposium einen Vortrag vorzubereiten. Thema: „Chat GPT – Möglichkeiten und Grenzen für KMU“. Zu diesem Zeitpunkt – es war Anfang Juli – hatte ich nur wenig mit Chat GPT experimentiert, doch man/frau wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben und so begann ich mich über verschiedene Wege ins Thema einzuarbeiten.
Welche Quellen habe ich dazu angezapft? Klar: Google! Bzw. Bing (das ist auf meinem Rechner voreingestellt und ich habe es noch nie verändert). Die Suchmaschinen gaben mir schon einen ersten Überblick, was man mit Chat GPT alles machen. Auch Gespräche mit KollegInnen waren aufschlussreich und das ein oder andere Video auf YouTube habe ich mir auch „reingezogen“. Im KI Bootcamp mit Anitra Eggler rundete ich mein theoretisches Wissen zu Chat GPT ab.
Was gehört klassischerweise in einen solchen Vortrag? Das war die Frage, die ich mir stellte, und so entwickelte ich eine erste grobe Agenda. Darauf standen Stichworte wie Chancen, Risiken, Anwendungstipps, Einsatzmöglichkeiten, Schwächen des Systems. Und um den Zuhörenden, die bislang noch nicht mit Chat GPT gearbeitet hatten, einen Mehrwert zu bieten, setzte ich „Live-Demo“ auf die Agenda.
Da Chat GPT ja als künstliche Intelligenz eingestuft wird, lag der Gedanke nahe: Lass doch mal Chat GPT all diese Fragen beantworten. Schon bald hatte ich – mit ein zwei Nachfragen – passende Antworten bekommen, die im Großen und Ganzen auch meinen anderen Recherchen entsprachen.
#GIGO
Je besser der Prompt (also die Anfrage ans Tool), desto besser das Ergebnis. Das ist im Grunde dasselbe wie bei Suchmaschinen. Oder wie in der Informationstechnik verbreitet: Garbage in, Garbage out (GIGO). Sprich: Wo man Müll reinwirft, kommt auch nur Müll raus. Ich bemühe mich also stets, in meinen Prompts Kontext zu geben sowie präzise und ergebnisoffen zu formulieren.
Schwächen des Systems, die man im Hinterkopf haben sollte
Im Boot Camp aber auch über Gespräche mit KollegInnen hatte ich gehört, dass Chat GPT lügt bzw. halluziniert, sprich auf manche Fragen einfach Quellen erfindet und manchmal auch einfach eine Frage völlig falsch interpretiert und ich somit ein falsches Ergebnis ausgeworfen bekomme. Ein interessanter Ansatz, dem ich auf jeden Fall nachzugehen gedachte.
Schon bald wurde ich fündig: In einem Chat schlug mir Chat GPT unter anderem einen Literaturtipp vor, von einem Professor aus Amerika. Problem: Der Mann ist Experte für Lithiumbatterien und nicht für Wissenstransfer Hochschule – KMU (darauf bezog sich meine Anfrage). Google und Bing waren sich einig: Der Genannte hatte dieses Buch niemals veröffentlicht.
Auch bei einer anderen Anfrage erhielt ich ein merkwürdiges Ergebnis. Meike Schumacher und Prof. Georg Rainer Hofmann, beide wie ich bei @mainproject engagiert, hatten vor ein paar Jahren ein Buch zum Thema „Case based Evidence“ im Springer Verlag veröffentlicht. Als ich Chat GPT bat, mir die Methode Cased based Evidence zu erklären, verwechselte das Tool dies mit evidence based cases, eine Methode aus der klinischen Forschung. Meine Anfrage bezog sich aber auf eine wissenschaftlich anerkannte Methode, die eine Prognose und Verbesserung der Akzeptanz von Produkten und Projekten ermöglicht. Chat GPT lag hier also völlig falsch!
Eine weitere Schwäche im System ist, dass eine Menge Voreingenommenheit in den Daten stecken können, die analysiert und ausgeworfen werden: Ob geschlechtsspezifische, rassistische, altersbedingte, sozioökonomische, politische und religiöse Vorurteile, hier gilt es aufzupassen! Schöne Beispiele dafür finden sich unter anderem auf https://www.gew-bw.de/aktuelles/detailseite/weder-blind-vertrauen-noch-kategorisch-ablehnen
Und wie man das verhindern kann, kann man unter anderem hier nachlesen: https://www.deptagency.com/de-de/insight/so-verhindern-sie-biases-in-ihrem-ki-content/
Was man sich noch fragen sollte!
Es spricht nichts dagegen, Chat GPT zu nutzen. Doch ein umsichtiger Umgang ist auf jeden Fall empfehlenswert. Zwei Fragen treiben mich dabei hauptsächlich um:
Erstens: Was machen „die“ mit meinen Daten? Und wer sind „die“ eigentlich? Wer einen Account anlegt, hinterlässt unweigerlich Daten. Wo, das ist oft gar nicht so genau nachvollziehbar für den einfachen User. Tipp: Legen Sie sich eine Mailadresse an, die Sie nur für diese Zwecke nutzen und geben Sie niemals Daten in einen Prompt ein, die einen Rückschluss auf Ihre Person oder Organisation geben. Eine allgemeine Umschreibung reicht aus.
Zweitens: Komme ich aus der Übung, selbst zu schreiben/zu programmieren/kreativ zu sein, wenn ich Chat GPT exzessiv nutze? Fähigkeiten und Kompetenzen, die nicht mehr abgerufen werden, verkümmern möglicherweise genauso wie sich Muskeln abbauen, die nicht benutzt werden. Nicht umsonst heißt es: Gehirnjogging hält geistig jung.
Ausblick
Zwischen meinen ersten Recherchen im Juli und jetzt – Anfang Oktober – hat sich schon wieder Einiges getan. Google Bard ist Ende Juli in Deutschland mit einer Betaversion gestartet und somit ist ein weiteres kostenfreies Angebot verfügbar. Microsoft hat bereits im Februar Chat GPT 4.0 in den Browser Edge integriert. Die Unterschiede auszuloten und Vor- und Nachteile der Tools zu testen, ist eine Herausforderung für UserInnen. Da die Systeme gegeneinander konkurrieren, wird es spannend bleiben, welches System bei welchen Zielgruppen die höhere Akzeptanz erreicht. Womöglich wird es auch regionale Unterschiede geben.
Fazit
Noch stehe ich am Anfang mit meinen Erfahrungen mit Chat GPT, doch eines habe ich gelernt. Chat GPT und Co. können sicher eine Entlastung sein und unsere Produktivität steigern. Dennoch: Man muss jegliche Aussage prüfen und es schadet nicht, wenn man selbst schon Ahnung von der Materie hat. So lässt sich das Ergebnis leichter einordnen, ob es richtig, vollständig und vorurteilsfrei ist. Denn letztlich nehmen uns diese Tools nicht die Verantwortung ab.
DIe Präsentation im mainproject Wirtschaftssymposium kann unter https://mainproject.elearning-home.de/course/view.php?id=69 heruntergeladen werden. Hierfür ist eine Registrierung auf unserer Lernplattform notwendig. (double opt-in)