Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister zum Vortrag von Prof. Dr. Hans-Georg Stark, ehemaliger Vizepräsident der TH Aschaffenburg
Zum Abschluss der Ringvorlesung schlug Prof. Hans-Georg Stark einen Bogen zwischen dem Thema Verantwortung und den Hochschulen. Dabei referierte er über die Verantwortung der Hochschule genauso wie über die Verantwortung in der Hochschule.
Dabei orientiert sich Stark am Modell von Julian Nida-Rümelin. Darin wird, ausgehend von einem Subjekt, einem Gegenüber Verantwortung übernommen. Das geschieht, indem das Subjekt seine Handlungen, Überzeugungen und Einstellungen begründet. Die prominente Bedeutung des Begründens und der rationalen Argumentation zeigt, dass dieser Verantwortungsbegriff eng mit dem Erbe der Aufklärung verknüpft ist.
Verantwortung der Hochschule gegenüber Staat und Gesellschaft
Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) regelt die Verantwortlichkeiten der bayerischen Hochschulen. Unter anderem definiert es die allgemeinen Aufgaben (Lehre, Forschung und Weiterbildung/Wissenstransfer) und räumt den Hochschulen Gestaltungsfreiheiten in Eigenverantwortung ein.
Jede Hochschule ist angehalten, einen Hochschulvertrag mit dem Staat zu schließen, in welchem die Ziele vereinbart werden. Für die TH Aschaffenburg kann dieser unter TH Aschaffenburg unterzeichnet Hochschulvertrag für fünf Jahre mit dem Wissenschaftsministerium (th-ab.de) als PDF heruntergeladen werden. Der Vertrag greift unter anderem 11 Handlungsfelder und daran geknüpfte Messgrößen auf, die die Zielerreichung kontrollieren sollen.
So sind zum Beispiel im Bereich der Ausbildungskapazität, der Ausbildungsqualität, der Forschung und in anderen Bereichen messbare Kenngrößen definiert. Bei Nichterreichung können Sanktionen (Streichen von Mitteln) folgen.
Im Modell von Nida-Rümelin ist die Hochschule nun das verantwortliche Subjekt, das Gegenüber das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK). Die Begründungen sind in Form von Hochschulverträgen formuliert.
Ebenso hat die Hochschule eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Diese ist im Grunde durch die Erfüllung der Aufgaben Lehre/Studium, Forschung/Entwicklung sowie Weiterbildung/Wissenstransfer abgedeckt, denn sie kommen der Gesellschaft zugute (Studierende, Unternehmen, Beschäftigte, wissenschaftliche Community).
Verantwortung in der Hochschule
Einrichtungen wie eine Hochschule haben auch gegenüber ihren Mitarbeitenden eine Verantwortung zu tragen. Im Kontext Hochschulen wird häufig der Begriff Hochschulangehörige verwendet, richtig jedoch ist der Begriff Mitglieder. Zu den Mitgliedern gehören alle Professorinnen und Professoren (auch die im Ruhestand befindlichen), die Mitarbeitenden und die Studierenden.
Lehre und Forschung sind frei, lt. Art 5 III des GG. So haben beispielsweise Professoren in ihrer Tätigkeit an den Hochschulen große Gestaltungsfreiheit. Jedes kooperierende Mitglied der Hochschule handelt im Einklang mit seinen individuellen Wertmaßstäben. Möglich also, dass sich deren Ziele nicht mit denen der Hochschulleitung deckt, die für die Erreichung der vereinbarten Ziele gegenüber dem Staatsministerium geradestehen müssen. Insofern wird hier die Metapher der „Quadratur des Kreises“ bemüht – also ein scheinbar unlösbares Dilemma.
Für die Hochschulleitung gilt es daher, einen Prozess anzustoßen, bei welchem wichtige Fragen für und mit Hochschulmitgliedern geklärt werden. Der Referent empfiehlt daher, in einem kontinuierlichen Prozess eine Reihe von „W-Fragen“ zu behandeln:
· Was zeichnet uns aus?
· Wen sprechen wir an?
· Wo wollen wir hin?
· Wie arbeiten wir?
· Wofür stehen wir?
Während die ersten vier Fragen nach Handlungen fragen, steht die fünfte Frage für die Werte, Einstellungen und Überzeugungen der Hochschulangehörigen.
Spannungsfelder / Auswahl
Es gibt eine Reihe von Spannungsfeldern, denen sich die Hochschulen gegenüberstehen. Hier eine Auswahl:
Ziele um die Qualität und Quantität von Absolvierenden stehen von jeher in Konkurrenz. Die Absolvierendenquote hängt nicht zuletzt vom Anspruch der Lehrenden als auch dem Anspruch der Bildungseinrichtung ab (man bedenke auch das Renommée das mit hoher Bildungsqualität einhergeht). Auf der anderen Seite sind Planzahlen in den Hochschulverträgen vereinbart und der Druck aus dem Arbeitsmarkt ist sicher auch ein Kriterium. Hier hat es jede Hochschule über ihre Qualitätssysteme selbst in der Hand, eine Balance zu finden.
Für die Säulen Forschung und Transfer wird nur ein geringer Teil der Gesamtfinanzierung der Hochschulen eingeplant. An der TH Aschaffenburg sind bspw. im Jahre 2023 5,8 Mio. für die Lehre verfügbar, Forschungs-/Transferfinanzierung sind in diesem Zeitraum mit 190 T€ dotiert. Auch wenn über Drittmittel und staatliche Sonderprogramme weitere Finanzierungsquellen für die Forschung erschlossen werden, bleibt die Frage, welches Verhältnis für eine Hochschule, wie sie die TH Aschaffenburg repräsentiert, angemessen ist und wie abhängig man sich von Drittmitteln in der Forschung machen möchte.
Die Freiheit der Lehre und Forschung aus dem GG – dementsprechend die eigenverantwortliche Gestaltung der Lehre laut Art. 55, BayHIG - entbindet nicht von der Begründungs- und Rechenschaftspflicht der Lehrenden, die aus dem eingangs besprochenen Verantwortungsbegriff resultiert. Es gibt also keine „Narrenfreiheit“.
Für die Hochschulverträge ist es von Nutzen, wenn die W-Fragen (siehe oben) gut beantwortet sind. Idealerweise bereiten permanente Arbeitsgemeinschaften kooperativ und in einem partizipativen Prozess begründete Handlungsempfehlungen vor, die dann in die Aushandlung der nächsten Hochschulvertrags-Periode einfließen. So kann die Wahrnehmung kooperativer Verantwortung in Hochschulen gelingen.