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Wie sexy ist Innovation?

Paneldiskussion im Rahmen des mainproject Wirtschaftssymposiums 2024 in Aschaffenburg

Innovationsfreude oder Trauerzug?

Innovation ist einer der fundamentalen Beweggründe des unternehmerischen Handelns. Die Lust am Neuen und Unentdeckten ist genau das, was Menschen jeden Tag aufs Neue antreibt, in Werkstätten, Laboren und Hinterzimmern ans Werk zu gehen. Innovationsfreude hat die deutsche Wirtschaft geprägt und das „Made in Germany“ zum Qualitätsmerkmal werden lassen. Es ging immer darum, besser und werthaltiger zu sein als die Konkurrenz. Das Motto war klar „Vorsprung durch Innovation“ – ja was denn sonst? Tatsächlich wird in der öffentlichen Debatte die wirtschaftlich Realsituation als eher schwierig wahrgenommen. Es ist eine Stimmung des Schimpfens und des Jammerns zu gegenwärtigen. Es wird weniger über Innovationen gesprochen und stattdessen eine wachsende Bürokratie, ein Kostendruck und der Fachkräftemangel beklagt. Die Reputation des „Vorsprungs durch Innovation“ gilt nicht mehr ohne weiteres.

 

made in Germany für den Rest der Welt?

Die Paneldiskussion im Rahmen des mainproject Wirtschaftssymposiums 2024 griff diese Fragen auf und positionierte sich als Innovationsmotivator. Selbstredend sprach sich niemand gegen politische und wirtschaftliche Maßnahmen aus. Gleichwohl betonte Prof. Dr. Heiko Wenzel-Schinzer (Wenzel Group / Hochschule Merseburg), dass die eigentliche Stärke von Produkten und Dienstleistungen aus Deutschland immer auch darin liegen muss, im Führungsbereich des Marktgeschehens zu liegen. Aus eigener Erfahrung berichtet er, dass sich die Herkunft von Kunden und Wettbewerbern gleichermaßen aus Europa hinaus, zunehmend nach Nordamerika und Asien verschiebt. Dabei spielen nicht nur Kostenvorteile eine Rolle, sondern offenbar auch eine wachsende Innovationskraft in ehemaligen Schwellenländern, wie z. B. China, oder auch Indien. 

 

Kooperationen bündeln Kompetenzen

Dazu merkte Dr. Gerald Heimann (bayern innovativ) an, dass Innovationen auf einem hohen technischen Niveau nur selten aus einem einzigen Unternehmen heraus geboren werden können. Seine Erfahrung mit Transformationsprojekten zeige vielmehr, dass sie durch Expertise-Netzwerke in einem relevanten Markt entstehen. In der aktuellen Transformation der Automobilindustrie (und ihrer Zulieferfirmen am Untermain) könnte aus seiner Sicht ein neuer Anlauf notwendig werden, die vorhandenen Kompetenzen für neue Produkte und Märkte zu aktivieren. Er empfiehlt dazu, nicht die großen Megathemen wie KI oder Erneuerbare Energien zum Ausgangspunkt zu nehmen. Stattdessen sprach sich Heimann dafür aus, von den Unternehmen und deren Kernkompetenzen ausgehend, neue Verknüpfungsmöglichkeiten zu suchen. 

 

Starker Mittelstand - auch in Zukunft: mit wissenden Belegschaften

Diese Linie wurde gleichermaßen von IHK-Geschäftsführer Dr. Andreas Freundt und von Prof. Dr. Georg-Rainer Hofmann (mainproject / TH Aschaffenburg) aufgegriffen. Dr. Freundt betonte, dass die Region Untermain mit ihrem starken Mittelstand bestens aufgestellt sei, um Zukunftsmärkte in den Blick zu nehmen. Professor Hofmann unterstrich, dass aus diesen Ansätzen aber immer auch eine „Vernetzung mit Ergebnisorientierung“ gepflegt werden müsste, um aus der Transformation auch Produktivität – und damit eine Wertschöpfung – werden zu lassen. Aus seiner Sicht kommt hinzu, dass die Weiterbildung des Bestandspersonals leider oft nur nachrangig angegangen wird. Nur wissende und inspirierte Belegschaften können das operativ und kreativ umsetzen, was seitens der Unternehmensführung vorgegeben wird.

 

Mit Begeisterung Potenziale heben

Prof. Dr. Marie Caroline Oetzel (TH Aschaffenburg) unterstützte den Blick auf die handelnden Personen und erklärte an ihrem eigenen Arbeitsbereich „Cyber Security“, dass es einfach auch Begeisterung für Innovation brauche. Sie stellte dar, wie erst der lebendige Impuls, etwas Besseres oder Neues entdecken zu wollen, die Strukturen und Prozesse mit innovativem Leben füllt. Gerade in der digital gestützten Medizintechnik sieht sie große Potentiale für Innovationen und Wertschöpfung. Heiko Wenzel-Schinzer griff das Thema auf und erläuterte, wie in seinem Haus der Perfektionsdrang von Ingenieuren unter dem Motto „erst alles fertigentwickeln“ mit agilen Prozessen einer „Entwicklung am Kunden“ verknüpft wird. Das sei eine nicht spannungsfreie, aber doch eine sehr produktive Integration von traditionellen und neuen Kulturen der Entwicklungsarbeit. 

 

Rechtes Maß an Innovationstätigkeit nötig

Thematisiert wurde auch, dass Unternehmen stets eine Balance zwischen Regelgeschäft und Innovation brauchen. Eine „Überinnovation“ – etwa in der blinden Verfolgung eines Hypes – birgt die Gefahr der Fehlinvestitionen. Insofern ist die laufende Arbeit an den strukturellen Voraussetzungen notwendig: Verlässliche Infrastrukturen, qualifizierte Fachkräfte und eine ausreichende Bereitstellung von Liquidität sind notwendige Grundpfeiler für jedes Unternehmen. Das unternehmerische Handeln braucht aber auch genau jene Motivation zur eigenen Entwicklung, wie sie im Rahmen dieser Panel-Diskussion greifbar wurde.

Die ESF-Maßnahme mainproject an der TH Aschaffenburg wird hierzu auch künftig einen Beitrag leisten.  Mit einem herzlichen Dank an die Beteiligten endete die engagierte Diskussion.